Lang, Arnold

Arnold Lang an Ernst Haeckel, Porto Ronco, 21. März 1912

ZOOLOGISCH-VERGL. ANATOMISCHES LABORATORIUM

BEIDER HOCHSCHULEN

ZÜRICH.

Porto Ronco s. A.

21. III 1912

Mein sehr verehrter und lieber Lehrer und Freund!

Ihr so überaus liebenswürdiger und herzlicher Brief, mit dem Sie uns zu der Feier der silbernen Hochzeit beglückwünschten, hat mich und meine Familie ganz ausserordentlich gefreut und wir danken Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin bewegten Herzens. Die kleine Feier ist hier, am Lago Verbano, bei der lachendsten tessinischen Frühlings- oder Vorfrühlingssonne, im engsten Familienkreise sehr schön verlaufen. Mein Sohn (Gymnasiast in Aarau, ein aufgeweckter, enthusiastischer Junge) und meine beiden Töchter (Ihre getreue Pathentochter Rosa Lilia mit ihrem Mann) waren zugegen und alle waren fröhlich und guter Dinge. In uns beiden, bei meiner Frau und mir, hat || Ihr Brief neuerdings wieder und besonders intensiv, die Erinnerung an die schönen Zeiten in Jena wachgerufen an unsere gemeinsamen Exkursionen, die Abende auf der Schweizerhöhe und dem Forst und den Aufenthalt im „Paradies“. Doch haben wir an unserem Festtage schmerzlich empfunden, dass derjenige, der uns damals a undb seither soviel gutes erwiesen, der uns beiden und mir im Speziellen unausgesetzt ein so wohlwollender väterlicher Freund gewesen ist, nun schon seit so langer Zeit durch ein lästiges und schmerzhaftes Gebrechen des ungetrübten Genusses von Luft und Licht und freier Natur beraubt ist. Niemand weiss besser als wie wir zu bemessen, wie viel Ihnen dadurch genommen ist. Wir wünschen und hoffen, dass das kräftigste Heilmittel, der Frühling, Ihnen doch eine ganz wesentliche Besserung bringen wird und dass es Ihnen bald || möglich sein wird, der geliebten Sonne entgegen zu reisen. Wenn Sie uns wieder einmal mit einem Ihrer lieben uns stets so sehr willkommenen Besuche beehren, so versprechen wir Ihnen und Ihrer verehrten Frau Gemahlin, dass Sie so gut aufgenommen und verpflegt sein werden, als es in unseren bescheidenen Verhältnissen möglich ist. Mir selbst geht es in den letzten Wochen recht ordentlich. Vor allem ist die starke und lästige Nervösität, Schlaflosigkeit u. a. zum grossen Teil verschwunden und der gute Humor hat wieder, besonders in der Sonne, die Oberhand. Meine l. Frau hat gegenwärtig mehr Anlass zu klagen, als ich.

Doch für heute genug, mein stets hochverehrter Freund! Empfangen Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin nochmals meinen und meiner Familie wärmsten Dank für Ihre so ehrende und so wohltuende liebevolle Gesinnung.

Stets Ihr getreuer alter

Arnold Lang

a gestr.: u; b korr. aus: sind

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.03.1912
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27217
ID
27217