Lang, Arnold

Arnold Lang an Ernst Haeckel, Zürich, 2. Dezember 1908

Zürich den 2ten Decemb. 1908

Verehrter und lieber Lehrer und Freund,

ich schreibe Ihnen schweren Herzens! Obschon ich Ihrem Schreiben entnehmen konnte, dass eine Berufung von Seiten des Ministeriums wohl nicht erfolgen werde und meine Nomination von Seiten des Senates mehr eine Demonstration der Anerkennung und Freundschaft ist, die mir allerdings zu der denkbar grössten, nicht erträumten Ehre und Freude gereicht, so erscheint mir doch nach dem Wortlaute Ihres Briefes eine Berufung nicht für völlig ausgeschlossen. Diese Ergänzung und ferner der Umstand, dass ich mich Ihnen und der ganzen geliebten alma a mater jenensis gegenüber so b unendlich verpflichtet fühle, lässt es mich als eine c Anstandspflicht empfinden, Ihnen zu Handen der hohen Behörde zu bestätigen, dass es mir tatsächlich unmöglich wäre, Zürich aufzu- || geben. Ich möchte also d vermeiden, dass die Behörde sich ev. einer abschlägigen Antwort aussetzt, was für sie in mancher Beziehung vielleicht unangenehm wäre.

Als bekannt wurde, dass mich der Senat der Universität Jena als Ihren Nachfolger vorgeschlagen, erfolgte spontan von den Behörden, der ganzen Presse aller Parteien, von Seiten der Kollegen und aus weiten Kreisen der Bevölkerung eine mich völlig verblüffende, rührende Kundgebung der Sympathie, die ich von unsern sonst so nüchternen Landsleuten wirklich nicht erwartet hatte. Man hat die Behörden aufgefordert, alles zu tun, um mich zu halten und ich habe denn auch in der Tat alles zugesagt erhalten, was ich auf erfolgte Anfrage hin mir gewünscht hatte, vor allem eine starke Entlastung.

Ich kann auch das grosse Werk der Neuinstallation der Universität und biologischen Institute jetzt nicht im Stiche lassen, nachdem ich so viele Jahre daran gearbeitet und das || Volk bei der Abstimmung der Universität und speziell auch mir ein so grossartiges Zeichen des Vertrauens gegeben hat.

Ich habe auch das Gefühl, für eine so tief einschneidende Veränderung in meinen „Existenzbedingungen“ schon zu alt zu sein und bin auch meiner Gesundheit, nach den verschiedenen Schlappen, die sie erlitten, nicht mehr so recht sicher. Das muss anstandshalber sicher in’s Gewicht fallen. Es ist ja der exponierteste Posten Nachfolger eines Haeckel zu sein.

Kurz vor Empfang Ihres Briefes hatte ich am Langensee ein reizendes kleines Häuschen (eine Art Fischerhäuschen) in wundervoller Lage an dessen mildesten Fleck des Tessins (Klima der Riviera) gekauft, wo ich alle meine Ferien zur Erholung und Arbeit zuzubringen gedenke.

Die weite Entfernung von meiner Tochter, der von Ihnen so verwöhnten guten Rosa Lilia, würde mir auch schwer fallen.

Jena ist meine zweite, heissgeliebte Heimat, aber die schöne Schweiz ist eben doch meine erste. || Oft habe ich meiner Frau gesagt, dass mich keine Universität im grossen deutschen Reiche verlocken würde, Jena ausgenommen. Jetzt wo ich der Wahl und der Qual nahe gerückt war, merkte ich erst, mit welchen starken Banden ich mit meiner Schweizer-Heimat verknüpft bin.

Ich darf wohl dem akad. Senat ein Dankesschreiben schicken? Oder würde das als Frechheit empfunden?

Danken Sie dem Herrn Kurator, Excellenz Eggeling. Er war mir gegenüber immer so sehr wohlwollend und ich habe das Gefühl – täuscht es mich? – dass er jetzt wieder dieses sein Wohlwollen bestätigt hat.

Und nun zum Schluss Ihnen, verehrter und hoher Lehrer und Freund, nochmals meinen wärmsten, innigsten Dank. In unerschöpflicher Fülle haben Sie von jeher Ihre väterliche Freundschaft und Liebe mir und meiner Familie zugewendet.

Pantheos möge es Ihnen vergeltene!

In unverbrüchlicher Treue

Ihr Arnold Lang

a gestr.: gegenüb; b gestr.: end; c gestr.: G.; d gestr.: mit; e korr. aus: lohnen

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
02.12.1908
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27210
ID
27210