Lang, Arnold

Arnold Lang an Ernst Haeckel, Zürich, 15. Dezember 1897

ZOOLOGISCH-VERGL. ANATOMISCHES LABORATORIUM

BEIDER HOCHSCHULEN

ZÜRICH.

Den 15ten Dezemb.

1897

Verehrter Lehrer und Freund!

Soeben erhalte ich die neunte Auflage Ihrer Schöpfungs-Geschichte. Mita meinem verbindlichsten Danke für das schöne Geschenk verbinde ich die wärmsten Glückwünsche für die Neubearbeitung des Werkes.

Schon lange wollte ich Ihnen schreiben, aber – Sie kennen ja meine Schreibfaulheit! Wir haben vernommen, dass Sie in Ihrer Familie schmerzliche Verluste erlitten haben, an denen wir, meine Frau und ich, von Herzen theilnehmen. Ihr Herr Bruder ist uns vom lieben Jena her in der angenehmsten Erinnerung geblieben. || Auch wir hatten kein besonders gutes Jahr; Krankheit über Krankheit unter den Kindern Lili hatte successive Blinddarmentzündung Masern und Diphtherites, Marietta Masern und Diphtheritis. Der Sohn Ihres alten Ritterprofessors ist von den dreien am besten weggekommen, nämlich mit den Masern allein. Jetzt sind wieder alle munter, mit Ausnahme meiner Frau, die mit Lungenkartarrh geplagt ist. Was mich anbetrifft, so wissen Sie ja: Unkraut verdirbt nicht so leicht. Der bis jetzt aussergewöhnlich milde Winter (Mittags 16°C. im Freien) bekommt mir altem Vertreter des aussterbenden Geschlechtes der Lazzaroni sehr gut. ||

Wir haben wieder ein für unsere Verhältnisse grosses Semester in der medizinischen und philosoph. Fakultät. Das Laboratorium ist derart überfüllt, dass ich 3 Studirende zurückweisen musste und in der Vorlesung über vergl. Anatomie habe ich gegen 120 Zuhörer. Zum Arbeiten komme ich natürlich während des Semesters wieder nicht.

Mit grösstem Befremden und Bedauern haben wir den Skandal Semon vernommen. Wie das Ihnen Kummer gemacht haben muss! Dass Ihnen auch diese Enttäuschung nicht erspart blieb!

Beständig sprechen wir davon, dass es einen halbe Ewigkeit ist, seitdem wir Sie nicht mehr bei uns gesehen. Wir zählen sicher darauf, dass wir nächstes Jahr || die Ehre und Freude Ihres Besuches erleben werden. Sie werden sich über unsere herrliche gelegene Wohnung mit dem inzwischen ganz hübsch gewordenen Garten freuen. Ein bequemes und ganz unabhängiges Zimmer steht immer zu Ihrer Verfügung und gleichsam vor der Thüre steht die Gelegenheit zu den reizendsten Aufstiegen auf dem Zürichberg.

Die herzlichsten Grüsse von Haus zu Haus, meine besten Wünsche, und nochmals herzlichen Dank!

In alter Treue

Ihr

Arnold Lang

a korr. aus: Mein

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.12.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27184
ID
27184