Nebuschka, Marie Luise

Marie Luise Nebuschka an Ernst Haeckel, Dresden, 12. Februar 1918

Klotzsche 12.2.18.

Bahnhofstr. 8.

Hochverehrte, teure Exzellenz!

Zu Ihrem Geburtstage wünsche ich Ihnen von ganzen Herzen alles Gute u. Schöne, alles, was Sie glücklich u. froh machen kann. Ich werde in Gedanken an diesem Tage bei Exzellenz sein u. male mir aus, wie dann Ihre Gedanken zurückgehen auf alles Schöne u. Traurige u. alles Große Ihres abwechslungsreichen LÖebens.

Wie sehr kann ich verstehen, daß Exzellenz an diesem Tage allein sein möchten. Es war von mir aus ja auch nur eine Anfrage an Ihren Herrn Sohn. – –

– Wie gern hätte ich Exzellenz wieder || mit einer Stickerei erfreut, aber mein jetziger Beruf läßt mir leider so wenig Zeit, daß es leider nicht fertig wurde. Man hat jetzt halt wenig Freude. –

– Aber gut ist es doch, daß der Winter bald überstanden ist, nun wird es doch wieder schön auf der Welt.

Wenn nun so langsam das junge Grün hervor kommt, daß ist doch wonnig zu betrachten u. zu genießen. Exzellenz werden das auch empfinden u. nun in ihrem lieblichen, grünen Winkel auch wieder Freude haben. Die Menschen jetzt um uns her u. alles was sie tun sind ja nicht gerade angenehm, aber man bekommt doch mit der Zeit, oder eben durch die Zeit ein Geschick darüber hinweg zu schauen dorthin, wo es schön ist.

Na, u. schön ist doch die Welt überall wo die Natur ist u. wo so glückliche Menschenkinder wohnen wie Sie, liebste, || hochverehrte Exzellenz.

Was habe ich alles von Ihnen gelernt u. wie sehr bin ich Ihnen dankbar dafür. Bin ich mal traurig, so finden schließlich meine Gedanken doch wieder den Weg zu den sonnigsten Tagen meines Lebens u. diese Erinnerung besiegt allen Kummer.

Deshalb kann ich mir, trotz meiner Jugend so gut vorstellen wie es Exzellenz machen, so jung u. glücklich zu sein u. so vollkommen über allem zu stehen. Gewiß, es kommen jetzt oft traurige Tage durch all die tausend Kleinlichkeiten, mit denen unser Leben belastet ist, aber desto schöner sind dann die stillen Stunden in denen uns die Musen beglücken. – Es gibt nach meinen neuesten Erfahrungen recht wenig Menschen die das verstehen, aber die wenig Glücklichen können doch nie ganz untergehen. ||

Ich küsse Ihnen voll Dankbarkeit die Hände für den großen Reichtum, den mir Exzellenz auf meinen Lebensweg mitgegeben haben u. wünsche Ihnen nochmals alles Gute, vor allem Gesundheit u. frohen Mut für Ihr neues Lebensjahr.

Möchte es das Friedensjahr werden u. für Exzellenz recht glücklich.

Die ersten lieben Veilchen erlaube ich mir als kleinen Blumengruß beizulegen. Wäre ich bei Ihnen, wie gern würde ich Ihre „Klosterzelle“ mit allen Frühlingskindern schmücken.

Mit größter Hochachtung

Ihre ganz ergebene, dankbare

Lissi Nebuschka.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
12.02.1918
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 24004
ID
24004