Overzier, Ludwig

Ludwig Overzier an Ernst Haeckel, Köln, 2. Mai 1876

Cöln, 2/5 76.

Herrn Professor Dr. Häckel

Jena

Hochgeehrter Herr Professor!

Für die freundliche Zusendung der Photographien Ihnen und Ihrer geehrten Frau, will ich nicht unterlassen, meinen Dank abzustatten. Sollten Sie bei einer nächsten Gelegenheit Cöln besuchen, so bitte ich, mich wieder mit Ihrem Besuche beehren zu wollen.

Den Bericht über die Transmutationslehre in den Bl. Ihrer Revue habe ich abgelehnt, einertheils weil diese Arbeiten viel Mühe und wenig Ehre bringen, anderentheils, weil mir hier nicht hinreichend Material zu Gebote steht. Stattdessen will ich die Entwickelungsgeschichte von Lumbricus verfolgen. Sie würden mich zu diesem Zwecke sehr zu Dank verpflichten, wenn Sie einige empfehlende Worte an Herrn Prof. Leidig schreiben wollten. Ich werde den geehrten Herrn in Bonn dann besuchen und könnte durch seine Leitung & praktischen Winke wohl Manches lernen.

Die Kaulquappen im hiesigen Aquarium, welche seit ¾ Jahren in der Entwickelung nicht vorankommen, sind auch bis dato aus ihrer verkümmerten Stufe nicht herausgelangt. Ich habe einen derselben in’s Viktoriahaus bringen lassen & dort bei Wärme & Licht in ein Gefäß gesetzt. In acht Tagen hatte er Beine und era ist jetzt ein munterer Frosch. Schnetzler, welcher die Einwirkung von weißem & grünem Licht auf die Entwickelung der Frösche verfolgte, fand daß dieselben in grünem Licht zurückbleiben, schwarz werden, Kiemen behalten, keine Gliedmaßen bekommen etc.; anders im weißen Lichte. ||

Ich glaube nun, daß es in unserem Aquarium 1) an Wärme und 2) an Licht gebricht. Ich will daher die im Aquarium zurückgebliebenen Froschlarven 1) der Wärme bei Lichtabschluß und 2) dem Licht bei Wärmeminderung aussetzen und sehen, was erfolgt. Herr Direktor Niepraschk behauptete, daß die Gliedmaßen sich anfangs etwas entwickelt hättenb, nachher aber abgefault seien. Letzteres ist jedoch nicht der Fall. Ich habe meine Kaulquappen untersucht und fand bei ihnen noch den deutlich an den Hinterbeinen, freilich zusammengeschrumpft, die einzelnen Knorpelstücke. Der Schultergürtel war ganz deutlich & fest angelegt.

Vielleicht interessirt Sie noch eine andere Mittheilung. Bei der zufälligen Behandlung ungebrannter Kaffeebohnen mit Hühnereiweiß entwickelte sich in 24 Stunden ein prachtvoller grüner Farbstoff. Derselbe löst sich nicht in Äther, ist also kein Chlorophyll, wird mit conc. Alc. rosenroth, Chlorophyll löst sich grün; der Farbstoff tritt in den Zellen der Bohne auf, welche zu keimen beginnen. Es löst sich gut in NH3. Es scheint mir Indigo ähnlich zu sein.

Dann habe ich unter dem Mikrokope eine eigenthümliche Sprenkelungc des Froschblutes (der scharzen Kaulquappen), wie ich glaube gesehen, welche mit der Färbung der Haut völlig übereinstimmte. Hier wie dort fanden sich in großer Anzahl schwarze bis braune eckige Flecken. Ich will jedoch nicht auf die Richtigkeit der Deutungd schwören, da mir vielleicht beim Unterlegen der Herzader ein Stückchen Haut mit unters Glas gelangte.

Mit der größten Hochachtung & Ergebenheit

Ihr

Dr. L. Overzier.

a eingef.: er; b eingef.: hätten; c gestr.: Färbung, eingef.: Sprenkelung; d eingef.: der Deutung

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
02.05.1876
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 23856
ID
23856