Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, An Bord der „China“, 8. Mai 1914
An Bord der „China“
8 Mai 1914.
Liebster Freund!
Ich schrieb Dir eine Karte von Marseille und danke Dir wiederholt für zwei liebe Briefe nach Suez und 1 Karte nach Marseille sowie für die Literatur. Zu der Geistesfrische bei 80 Jahren kann ich Dir nur herzlichst gratuliren und schmiede bereits Pläne um Dich bei meiner nächsten Anwesenheit auf dem Continent zu entführen und mit Heinrich als Dritten im Bunde „auf den Bummel zu gehen“ wie einst im Mai in Paris. – In Colombo wurde es recht heiß und die Seeluft war sehr acceptable. Im Rothen Meer wurde es indeß urplötzlich hundekalt und ich konnte die Juden verstehen: zu Fuß gegangen zu sein um warm zu werden – in Port Said bekamen wir Ordre Malta || anzulaufen und ca. 50 Passagiere aufzunehmen. Mir war es terra incognita und ich genoß die 3 Stunden an Land sehr; es erinnerte mich Etwas an das herrliche Genua. – Das Mittelmeer benahm sich vortrefflich es war bis Marseille meistens spiegelglatt. In Marseille hatte ich den Besuch meines Pariser Agenten und Marseiller Fabrikanten und aß zum 1ten Male zweimal an einem Tag Bouillabaisse. Wir blieben 24 Stunden in Marseille und kamen in Folge erst am 11ten oder 13ten nach London. Gestern war ein ausgesucht herrlicher warmer Tag an dem ich Dich ganz speziell an Bord gewünscht habe. – In London bleiben wir im Savoy Hotel bis Ende nächster Woche und dann geht es Heim –
An Schwester Röschen schrieb ich nach Malta.
Mit vielen herzlichen Grüßen
Stets Dein
Paul Rottenburg