Rottenburg, Paul von

Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 14. Januar 1879

Glasgow 14/1. 79.

Bester Freund!

Ueber Ihren Brief vom 27sten vorigen Monats und die beiden Bücher habe ich mich sehr, sehr gefreut und drücke Ihnen dafür im Geiste dankbar die Hand. Ich komme mir vor wie ein wahrer Crösus mit all den herrlichen Dedicationen von Ihnen in meiner Bibliothek, und kann Sie versichern Sie kommen mit Ihrer geistigen Speise einem in Glasgow tief gefühlten Bedürfniß entgegen. Für die untere Gastrula ist hier || zur Genüge gesorgt – geistige Anregung fehlt aber und beschränkt sich auf einige wenige Concerte Anfangs des Winter’s und 1 oder 2 gute Vorlesungen in einem erbärmlichen Lokal über 3 englische Meilen von unserem Hause entfernt. –

Von den erwähnten Vortrags Rundreisen haben Sie mir nie geschrieben und wenn es Ihre Zeit gelegentlich einmal erlaubt, würden Sie mich durch einige Mittheilungen darüber sehr erfreuen – denn Alles, was Sie angeht, interessirt mich mehr als ich es Ihnen sagen kann || und ich begleite Sie im Geiste noch nachträglich nach le Croisic, St Malo und Jersey. Wenn ich doch alle Medusen nach der Clyde locken könnte; anders fürchte ich wird Ihr Weg Sie nicht so bald hierher führen. Ein Verzeichniß der hiesigen Fauna von dem Mr. Brown herausgegeben,a mit dem wir zusammen auf der Clyde dredgten, sandte ich Ihnen kürzlich in der Hoffnung daß es für Sie von einigem Interesse; – sämmtliche darin aufgeführten Mollusken sehen gleich mir Ihrem Besuch mit wahrer Wonne entgegen. – Daß ich Ihrer Einladung bei erster Gelegenheit Folge leiste versteht sich von selbst – herzinnigen Dank dafür! – Ich fürchte nur wenn meine Frau in Jena einmal „Blut geleckt hat“ bekomme ich sie nicht mehr nach Glasgow zurück. –

Daß ich nicht bei der City Bank betheiligt bin ist mehr Dusel als Verstand. Denken Sie Sich doch nur daß Vormünder mit ihrem ganzen Vermögen für Mündel, welche die Aktien besitzen, haften und nicht nur sie selbst; nein auch ihre || Erben. Am 20sten beginnt die Gerichtsverhandlung mit den Directoren. Inzwischen sucht man durch eine Monster Lotterie von ₤ 6.000.000 den armen Aktionairen 3 Millionen zuzuwenden, läuft aber damit Gefahr gegen das Gesetz zu verstoßen: „Du sollst nicht wetten“, welches die Kirche natürlich streng aufrecht erhält mit Ausnahme der Fälle, wo durch kleinere Verlosung Etwas in ihren eigenen Schooß geschüttet werden soll. –

Leben Sie herzlichst wohl || für heute – ich will noch auf ein Stündchen nach Neuseeland, allwob es in Buchner’s Gesellschaft ganz famos ist. – Die Verträge werden laut vorgelesen. –

Nochmals innigsten Dank für all’ diese Genüsse. –

Viele herzlichste Grüße von Haus zu Haus. –

Immer

Ihr

treu ergebener

Paul Rottenburg

a eingef.: herausgegeben,; b eingef.: all

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
14.01.1879
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 20014
ID
20014