Wilhelm Olbers Focke an Ernst Haeckel, Bremen, 23. Dezember 1874
Bremen 23/XII 74
Lieber Häckel!
Für Deine freundlichen Zeilen vom 20. d. M. meinen besten Dank. Es ist mir sehr angenehm, daß Du meinen Aufsatz in die Jenaische Zeitschrift aufnehmen willst, indem ich glaube, daß er dort am besten seinen Zweck erreicht. Ich darf also annehmen, daß Du mir einen Platz im dritten Hefte reservirst; da der Druck doch wohl schwerlich vor Anfang März beginnen wird, so will ich das druckfertige Manuskript so lange behalten, da sich doch wohl ein Anlaß zu kleinen Änderungen und Zusätzen zu bieten pflegt. Du kannst mir ja jeder Zeit – etwa durch Brüggemann – einen Wink geben, wenn die Zeit des Druckes heranrückt.
Mit der Uebernahme irgend neuer Verpflichtungen bin ich sehr vorsichtig geworden und möchte ich daher auch keinerlei Zusage zu Artikeln || für die Jen. Liter. Z. geben. Vielleicht bietet sich einmal ein besonderer Anlaß, sonst muß ich warten, bis es mir gelungen ist, meine gar zu sehr zersplitterte Thätigkeit mehr zu concentriren.
Allmers hat eine zweite Auflage seines prächtigen Marschenbuches erscheinen lassen; er hatte sich wegen der floristischen Angaben an Buchenau gewendet, der ihm einige botanische Schnitzer herauscorrigirt hat. Aber seine besonderen Ideen wollte sich Allmers nicht nehmen lassen und so ist es gekommen, daß er Dich gewissermaßen als Autorität für seine Ansicht citirt, auch höhere Gewächse, z. B. phanerogamische Halophyten, könnten an ihren natürlichen Standorten durch Urzeugung entstehen! In solch einen Dichterkopf will nun einmal die exacte Forschung nicht hinein; man sollte indeß meinen, die Poёsie ließe sich auch im Sinne der Wissenschaft ganz wohl entwickeln, so daß sie nicht nothwendig in Widerspruch mit ihr zu geraten brauchte. Allmers ist übrigens noch derselbe liebenswürdige Schwärmer wie sonst. ||
Es freut mich, von Dir zu hören, daß es Dir und Deinen Lieben gut geht. Auch in meinem Hause ist bisa jetzt Alles nach Wunsch gegangen und hoffe ich morgen mit Frau und Kindern, die von den Masern genesen sind, Weihnachten feiern zu können.
Meine besten Wünsche für’s Fest und für das herannahende neue Jahr!!
In alter Freundschaft
Dein W. O. Focke
Stein. Kreuz 2 A
Bremen.
a korr. aus: his