La Valette St. George, Adolph

Adolph La Valette St. George an Ernst Haeckel, Bonn, 10. Juli 1874

Bonn, den 10 Juli 1874.

Lieber Ernst!

Als ich vorgestern zur Anatomie kam, empfing mich Dr. Hertwig mit der frohen Nachricht, daß ein Ruf von Berlin aus an Dich gelangt sei.

Wie sehr ich darüber erfreut war, brauche ich Dir kaum mitzutheilen, daß aber Veit, Pflüger, Busch und Rühle, diejenigen von den Collegen, die ich seitdem gesprochen, meine Freude in hohem Maaße theilten, will ich Dir nicht verhehlen. Du magst daraus eine günstige Prognose für angenehme collegialische Verhältniße entnehmen. Es ist ja auch nicht irgend eine Partei in der Fakultät gewesen, welche Dich in Vorschlag gebracht hat; der Beschluß war ein einstimmiger, wohl durchdacht und gut motivirt.

Mag nun der eine mehr, der andere weniger || für die durch dich angebahnten,a so nothwendigen und fruchtbringenden Reformen in der Morphologie eingenommen sein, die Anerkennung Deiner Verdienste und Deiner bisherigen Wirksamkeit ist eine so allgemeine, daß der Wunsch nahe lag eine solche Kraft, ein so hell leuchtendes Gestirn am wissenschaftlichen Horizonte für Bonn zu gewinnen. Man glaubte Dir hier eine gewisser Maaßen ideale Stellung schaffen zu können, bei gutem Gehalt eine ganz nach Belieben zu wählende Thätigkeit ohne die Sorge für eine große Sammlung der systematischen Zoologie, ohne die Verpflichtung zu Vorlesungen, welche die gesammte Zoologie zum Gegenstande hätten.

Dieses ist die Auffassung, welche von hier aus Deiner Berufung zu Grunde gelegt worden ist.

Eine, wie Du Dich selbst überzeugen wirst, gar nicht so dürftige vergleichend anatomische und entwicklungsgeschichtliche Sammlung kann als nothwendiger Unterrichts-Apparat unter Deine alleinige Ver-||waltung gestellt werden, an Mitteln, dieselbe auf’s Beste zu placiren und zu vergrößern wird es hier niemals fehlen. Unser Curator ist, wie ich aus öfteren Gesprächen entnehmen darf, Dir sehr gewogen und jedem berechtigen Wunsche zur Hebung unserer Institute durchaus zugänglich. Wie Du aus den übersandten Grundrißen ersehen haben wirst, stehen außer den beiden großen Sammlungssälen sechs schöne helle Räume der I Etage zu Deiner Verfügung und, wenn nöthig, noch einer der drei Präparirsäle für zootomische Arbeiten.

Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere im Winter, der Wirbellosen im Sommer, daneben Entwickelungsgeschichte, zootomische Uebungen, Vorträge allgemeinen Inhaltes müßten ja ein prächtiges Arbeitsfeld geben. An Zuhörern wird es nicht mangeln, soweit ich den Geist der hiesigen Studirenden kenne. Gestern, als ich ihnen im mikroskopischen Cursus die Aussicht || auf Dein Hierhinkommen mittheilte entstand eine förmliche Aufregung, ein lauter Jubel. Du siehst also, daß Du hier persona grata sein wirst. Selbst Troschel, der übrigens in comparative Anatomie liest sprach sich sehr anerkennend über Dich aus und schien über Deine Berufung gar nicht verstimmt.

Nun will ich schließen lieber Ernst, was ich gesagt habe soll Dich nicht bestimmen; Du mußt nach eigenem Ermessen handeln. Wenn ich auch nicht leugnen will, daß ich etwas pro domo gesprochen, so glaube ich doch für das, was ich berichtet einstehen zu können. Wünschest Du über Fond’s des Instituts oder irgend welche andere Dinge Auskunft, so wird Dir solchen umgehend zugehen.

Für Deine Photographie und das herzige Köpfchen Deiner Lisbeth den besten Dank. Dr. R. Hertwig bitte ich von mir zu grüßen und zeichne

In alter treuer Freundschaft

Dein

La Valette St George

a eingef.: angebahnten,

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
10.07.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 16747
ID
16747