Max Schultze an Ernst Haeckel, Bonn, 29. April 1865
Bonn 29 April 65.
Liebster Haeckel
Nur zwei Worte zum Gruß und Dank für Deine letzten Sendungen, die mich sehr interessirt haben, und zur Begleitung der zwei Separatabdrucke aus meinem Archiv, das jetzt fertig ist und in cc 8 Tagen über Leipzig nach Jena kommen wird. Bruder Bernhard hat ein Exemplar des ersten Heftes.
Bezüglich der Randbläschen der Medusen glaube ich noch ganz streng an der Scheidung von Seh- und Hörfunction festhalten zu müssen. Fritz Müller vermag ich nicht beizustimmen. Ich gehe selbst weiter wie Du, und glaube die betreffenden Theile bei Geryonia noch entschieden einmal als echte Gehörorgane deuten zu können.
Wenn ich ans Meer komme werde ich mich auch gründlich mit dem Ding beschäftigen. Hast Du schon bestimmte Pläne für den Herbst? Gehst Du mit Gegenbaur zusammen? ||
Die Fortpflanzung der Geryonien, über die Du an die Akademie berichtet hast, ist in der That von fundamentaler Bedeutung. Aber gehört hier nicht her die Geschichte der Cunina Köllikeri von Fritz Müller mit ihrer Zwölfstrahligen Brut und die freilich nur sehr dunkle Mittheilung Köllikers über Eurystoma und Stenogaster?11 Mich wunderte daß Du dieser Analogie nicht gedenkst. Ja sollte nicht gar die Aehre 8strahliger Medusen aus dem Magen einer Liriope jetzt eine andere Deutung erfahren als Fritz Müller ihr gab?
Du warst in Berlin. Ich bin sehr begierig von Dir zu hören, auch ob Du die Correctur Deiner Tafel zu rechter Zeit erhielst u. wann Dein Aufsatz contraa Reichert gedruckt wird. Wen beruft Ihr an Stelle Bezold’s?
In Eile ade!
Dein
Max Schultze.
Vergiß doch ja nicht alle Deine Medusenarbeiten Fritz Müller zu schicken. Kreuzband via Southampton ist ganz billig.
Desterro. Província Santa Catharina.
Brasilien.
Auch würde er sich sehr freuen wenn Du ihm mal ein anerkennendes Wort über sein Darwin-Buch schriebst. Hast Du denn einen Ruf nach Würzburg?b
a korr. aus: über; b Text weiter am linken Rand von S. 4: Hast … Würzburg?