Schwalbe, Gustav; Schwalbe, Clara

Gustav Schwalbe an Ernst Haeckel, Straßburg, 14. Februar 1904, mit Nachtrag von Clara Schwalbe

Strassburg den 14. Februar 1904

Hochverehrter lieber Herr Kollege!

Unter der Fülle der Glückwünsche, die Ihnen zum 16. Februar zu teil werden, bitte ich Sie auch den meinigen einen bescheidenen Platz einräumen zu wollen. Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen an diesem Tage, an welchem Sie auf ein reiches Leben erfolgreichster Arbeit zurückblicken, auch meinerseits aussprechen zu dürfen, daß ich Ihrer in wärmster Verehrung und Anhänglichkeit gedenke, daß ich mit der ganzen gebildeten frei denkenden Welt nicht nur anerkenne Ihre Großtaten auf dem Gebiete Ihrer speziellen Wissenschaft, der Zoologie, und Ihr Ringen und Wirken für die Befreiung vom Joche alter Vorurteile, alten Aberglaubens, sondern ganz besonders || dankbar mich erinnere an den hervorragenden Einfluß, den die persönliche Bekanntschaft mit Ihnen auf meine wissenschaftliche Richtung gehabt hat. Als mir vor zehn Jahren vergönnt war, mich durch herzlichsten Glückwunsch an der Feier Ihres sechszigsten [!] Geburtstags zu beteiligen, ward mir zur Erinnerung an jenen Tag das schöne Geschenk Ihres ausgezeichneten Bildes, das nun heute von der Wand meines Arbeitszimmers unter dem unseres herrlichen Darwin auf mich herabschaut, alle die schönen alten Erinnerungen meiner Jenenser Zeit in mir lebendig gestaltet, frei von jedem Misklang von Misverständnissen. Die Anregung, welche ich damals von Ihnen erhielt, sie ist für meine Arbeitsrichtung von größter Bedeutung gewesen. Ganz besonders aber hat es mich gefreut, daß Sie meiner bescheidenen Arbeit in Ihrem letzten Werk anerkennende Worte haben zu teil werden lassen, die mich ermutigen, soweit ich es || vermag, auch fernerhin mitzuarbeiten an dem großen Problem der Entstehung des Menschengeschlechts, welches unser Darwin als das höchste und interessanteste für den Naturforscher bezeichnet hat.

So bedeutet mir Ihr siebzigster Geburtstag außer dem, was er für alle Ihre Verehrer ist, noch ganz besonders viel. Meine herzlichsten Glückwünsche zu diesem Tage kommen aus altem dankbaren Jenenser Herzen. Sie mögen Ihnen sagen, daß, wie verschieden auch die Individualitäten sein mögen, doch nichts auf die Dauer mehr zusammen bringt und zusammen hält, als das gemeinsame aufrichtige Streben nach Wahrheit. Mögen Sie uns noch lange Jahre erhalten bleiben als ein leuchtendes Vorbild großartigster Arbeitsleistung und des idealsten Strebens nach Erweiterung und Vertiefung unserer Kenntnis von der schönen Welt, die uns umgiebt, die uns nicht altern || lässt, so lange wir es verstehen, in ihre Schönheit uns zu vertiefen.

Mit herzlichsten aufrichtigsten Glückwünschen

in alter Verehrung und Ergebenheit

Ihr

G. Schwalbe

[Nachtrag von Clara Schwalbe]

Verehrtester Herr Professor.

Gestatten Sie bitte daß auch ich einen sehr herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Geburtstag hinzufüge. Möge Ihnen das Leben lauter Freude und Glück bringen, wie bisher. Das wünscht aus treuem Herzen

Ihre ergebene

Clara Schwalbe

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
14.02.1904
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 14517
ID
14517