Fürbringer, Max

Max Fürbringer an Ernst Haeckel, Jena, 31. Dezember 1900

Jena, 31.12.1900.

Lieber und hochverehrter Freund!

Dein lieber Brief aus Buitenzorg vom 26. vorigen Monats wurde mir vom Curator überbracht. Ausserordentlich beklagen wir Dein Missgeschick, dass Dir zwei so dumme Gelenke den Gehorsam verweigerten; im innersten Herzen aber sind wir zugleich um eine Sorge ärmer, da wir nun die gefürchtete Überanstrengung nicht mehr für so acut erachten. Du wirst inzwischen längst die Gelenke wieder in Ordnung gebracht haben, hast durch die kurze Störung ein gutes und für das südliche Klima nothwendiges Ausruhen, das Du Dir sonst sicher nicht gegönnt haben würdest, gehabt und wirst nun mit frischer Kraft Deine Pläne weiter verfolgen. Hoffentlich kommen die Molukkenabsichten doch noch zur Ausführung.

Wir sind oft bei Dir, in der herrlichen Natur, die ewiger Sommer und Frühling ist, über der ein lachender Himmel blaut und eine strahlende || Sonne scheint, derweil wir hier – zwar nicht im Winter sitzen (bis heute war nur ein kurzer Nachfrost zu verzeichnen), aber von Trübem, wolkenüberzogenem Himmel, Schmutz und Regen mehr als sonst genießen.

Von mir sind ausser einer gemeinschaftlichen Antwortkarte des Referirabends 3 Briefe an Dich abgegangen, einer im September (oder Ende August) nach Genua, ein anderer Anfang Oktober nach Buitenzorg, ein dritter (als Antwort auf Deine liebe Karte von Singapore) gleichfalls nach Buitenzorg. Was ich Dir alles darin geschrieben weiss ich nicht mehr.

Heute kann ich Dir nun endlich sagen, dass nach langen und schweren Sorgen und Unruhen die Frage meines Nachfolgers in dem auch von Dir gewünschten glücklichsten Sinne gelöst ist: Maurer hat kurz vor Weihnachten (nachdem wie durch ein Wunder Facultät und Senat ihn einstimmig primo vorgeschlagen; trotz jämmerlichster Gegenmachinationen standen sie dieses Mal für den Besten ein) den Ruf erhalten, war mit Fraua hier, hat angenommen und wird vom 1. April ab mein lieber Nachfolger nicht || allein in der Anatomischen Anstalt, sondern auch in dem Hause am Philosophenweg 12 sein! Er und seine liebe Frau werden uns bald vergessen machen, und da Deine Kinder auch am Landgrafen wohnen (das Haus ist äusserlich fix und fertig, entzückt namentlich meine Frau ausserordentlich), so denken wir, dass Dich und Deine liebe Frau oft der Weg in diese Gegend und auch in das jetzt Maurersche, vormals Fürbringersche Haus führen wird. Für von Bardeleben, der sich in der ganzen Angelegenheit seinem Charakter entsprechend benommen hat, ist bezüglich der Nachfolge von mir Niemand in der Facultät und im Senate eingetreten; Thon hat sich im Übrigen redlich für ihn bemüht, aber ohne Erfolg. Ich hätte ihn gern von der Prosectur abgelöst und ihmb eine selbständige, unschädliche Stellung als Extraordinarius für topographische Anatomie gegeben; leider war das bei unserer Mittellosigkeit unausführbar. So muss Maurer leider mit ihm hausen, ist aber genügend orientirt und wird bei der Majorität der Facultät auch die nöthige Unterstützung finden.

Wir wollten Dir zu Weihnachten einen Collectiobrief aus unserem Hause, das || damals von Maurers, Brausers und uns bewohnt war, senden; leider blieb bei dem kurzen Aufenthalte und den dringenden Geschäften keine Zeit. So geht dieser Brief nach Heidelberg und wird von da durch Maurers weiter gesendet.

Wir werden in Heidelberg zunächst in einer ganz engen und zu kleinen Wohnung wohnen – gute Wohnungen war [!] nur für mehrere Jahre zu haben –, während dessen wird aber unser Häuschen gebaut werden und hoffentlich schon im Herbst fertig sein. Unser Gastzimmer werden wir Haeckelzimmer nennen und erwarten mit Bestimmtheit, dass das nicht blos ein Epitheton ornans sein, sondern uns recht vielmals das Geschenk Deines lieben Besuches bescheren wird.

Alles Gute für diese Reise und Deine ganze Lebensreise im neuen Jahrhundert.

Deine Getreuen:

Max Fürbringer & Fanny Fürbringer

Hermann Braus

Lisbeth Braus.

a eingef. mit Einfügungszeichen: mit Frau; b eingef. mit Einfügungszeichen: ihm

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
31.12.1900
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1336
ID
1336