Hermann von Ihering an Ernst Haeckel, Kopenhagen, 12. April 1878
Kopenhagen 12.IV.78
Verehrter Herr Professor!
Als ich meine Mollusken-Arbeit die Begriffe der Homo- und Homoeogenie aufstellte war mir leider weder Ray-Lankesters noch Ihre Behandlung des Gegenstandes bekannt. Lankester hat mich des Plagiates beschuldigt und da er neuerdings den Vorwurf wiederholt hat, meine Antwort – in meiner || Otocysten-Abhandlung p. 14, Anm. – nichtkennend, so werde ich mich naechstens in den Annals and magazine of natural history dagegen verwahren. Es liegt mir nun daran dabei Sie nicht unrichtig zu beurtheilen, und das veranlasst mich zu diesen Zeilen.
Soviel ich sehe haben auch Sie in der ersten Mittheilung – Kalkschwaemme p. 462 – Ray Lankester nicht erwaehnt. Hat er etwa auch Sie des Plagiates beschuldigt oder haben umgekehrt Sie schon in einer aelteren Arbeit die betroffenen Termini gebraucht?
In Ihren biologischen Studien II p. 266 stellen Sie ein ausführ-||lichere Behandlung des Gegenstandes in Aussicht. Dieselbe ist wohl noch nicht erschienen. Es ist mir aber nicht verstaendlich in wiefern meine Bezeichnungen der Homoeo- und Homogenie etwas anderes bezeichnen sollen als die zuvor schon von Ihnen aufgestellten der Homophylie und Homomorphie? Übrigens scheint mir als gelte von Ihres Homomorphie das gleiche wie von Ray Lankesters Homoplasie; sie bezeichnetet keinen Gegensatz. Homomorphe Organe sind entweder gleicher oder verschiedener phylogenetischer Abkunft. Homomorph scheint mir daher der gemeinsame weitere || Begriff zu sein.
Sollte es Ihnen nicht zu viel Mühe machen so waere ich Ihnen sehr verbunden wenn Sie mir Ihre Ansicht darüber mittheilen möchten. Ich gehe in einigen Tagen von hier fort um die Osterzeit in Goettingen zu verbringen. Nach Ostern ist meine Adresse wieder: Erlangen.
Dr. Bergh bei dem ich hier wohne laesst Sie freundlich grüssen.
Mit der Versicherung meiner vorzüglichen Hochachtung bleibe ich
Ihr
ergebenster
Hermann von Ihering