Kirchmann, Anna von

Anna von Kirchmann an Ernst Haeckel, o. O., 19. August 1908

D. 19ter August 1908

Exellenz,

Ein starkes Erkältungsfieber daß mir der Wettersturz in voriger Woche gebracht hatte, machte es mir unmöglich, eher als in dieser Stunde, den Ausdruck meines Dankes an Ew. Exellenz gelangen zu lassen. Das schöne Bild und die zu meiner freudigen Ueberraschung beigefügte Karte sind bereits unter Doppelglas und Rahmen damit der kostbare, beneidenswerthe Besitz für alle Zeiten unversehrt bleibe u. dem Be-||schauer zugleich die Möglichkeit biete Bild und Handschrift zu bewundern.

In der ersten fieberfreien Stunde habe ich gestern die interessanten mir gütigst übermittelten Schriften gelesen und mit Begeisterung den Entschluß gefaßt den kommenden Winter zum Studium von Ew. Exellenz herrlichen Schriften zu verwenden. Wie Fausts Genossen sollen dann auch für mich die Winternächte „hold und schön“ werden.

Bereits im vorigen Jahr hatte mich ein mir befreundeter junger Gelehrter Dr. Otto Schlaginhausen, der am hiesigen zoologischen-anthropologischen Museum arbeitete in die ersten || Geheimnisse der Naturwissenschaft eingeführt die ich später näher kennen zu lernen mich bemühte. Jetzt weilt mein Freund als Mitglied der großen Süd-See- Expedition auf Matufi u. schrieb mir vor Kurzem daß er wichtige anthropologische Forschungen gemacht habe von denen er hoffe, daß sie noch für die Entwicklungslehre von Werth sein würden.

Eine kleine bescheidene Liebesgabe für das Phyletische Museum, die meinen bescheidenen Verhältnissen entspricht geht heute an das Rentenamt in Jena ab. Ich werde aber versuchen das mir vom Schicksal zum Geben Versagte, von glücklicher situirten Freunden zu gewinnen, die ich für die || große Schöpfung Ew. Exellenz zu interessieren versuchen werde.

Möchte dies Geisteskind vor dem die gebildete Welt sich in Bewunderung neigt für immer der Stolz der altberühmten Universität bleiben.

Ich nenne mich in aufrichtiger Dankbarkeit

Ew. Exellenz ganz ergebene a

Anna von Kirchmann

a Vermerk von fremder Hand: Ich rate der verehrten gnädigen Frau, erst zu lernen, wie man Excellenz schreibt.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
19.08.1908
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10978
ID
10978