Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 30. Dezember 1877

Heidelberg, 30 Dez 1877

Liebster Freund!

Das alte Jahr soll nicht zu Ende gehen ohne daß ich Deiner gedenke, mit einem Brief, der Dir meine herzlichsten Glückwünsche zum Neuen bringen soll. Damit verbinde ich zugleich den Ausdruck der Hoffnung daß Dein Leiden völlig und glücklich vorübergegangen ist. Ich habe Dich lebhaft bedauert und aufrichtigstes Mitleid mit Dir empfunden, wie ich es Dir gar nicht aussprechen kann.

Aber daß Du an Heidelberg vorbei gefahren bist, war auch nicht recht gehandelt! Das hätte nicht sein dürfen. Die Ursache die Du mir angabst ist mir gar nicht ausreichend. Du sagst, Du habest mich in München verstimmt gefunden. Das war ich allerdings nicht, allein ich war – daß ich Dir‘s offen sage – mit einigen Stellen Deiner Rede nicht zufrieden, und sah manches sich daran knüpfen was mir als Deinem Freunde, nicht gefiel. Mich persönlich hat das nicht berührt, aber Deinetwegen mußte ich besorgt sein. Bei persönlichem || Zusammentreffen hier in H. würde ich mich darüber ausgesprochen haben, wie Du ja weißt, daß ich das ohne allen Rückhalt thue. So kann ich es denn hier nur andeuten. Wie ich Dich kenne und Du mich, wirst Du verstehen, daß mit jener Unzufriedenheit über Einiges, Deine Person nichts zu thun hat, und daß damit durchaus kein Anlaß zu einer Störung unseres Verhältnißes gegeben ist. Mündliche Mittheilung würde das vollends klar machen, und ich hoffe darauf daß Du zu Ostern das diesen Herbst Versäumte nachholen wirst. Nun wäre diese Angelegenheit abgethan und ich kann zu Erfreulicherem schreiten, indem ich Dir zu Deinen Arbeiten über Medusen und Radiolarien Glück wünsche, auch in hohem Grade befriedigt bin Dich mit diesen Unternehmungen beschäftigt zu wissen. Ich denke mir daß es recht gut für Dich sein wird, wenn Du mich auch darüber schelten magst, daß ich Dir solch‘ inferieure Aufgaben zumuthe. Doch Du wirst mich schon verstehen und mir nicht böse sein. Von Charybdea habe ich nur die beiden Blätter die ich sende, ein drittes enthält Zeichnungen über die Randkörper, die nicht publicirt sind. Du wirst das Alles nicht brauchen können. Ich sende es Dir nur damit Du siehst daß ich die Sache nicht vergessen habe. ||

Das Weihnachtsfest liegt nun hinter uns. Ich hoffe auch Du hast es mit den Deinigen vergnügt zugebracht, in Freude über den Kinderjubel! Bei mir ist zum Glücke alles wohl gewesen, und so verliefen die Festtage zu allseitiger Zufriedenheit.

Unser Universitäts-Semester bietet leider kein sehr erfreuliches Bild, und die Frequenz ist eine überaus schlechte. Wenn ich diese Dinge mir zu sehr zu Herzen nähme, so müßte ich die Amsterdamer Stelle annehmen, so aber habe ich mir meine Verhältniße hier anders zurechtgelegt, und habe auch die Ueberzeugung daß ich dort außer vielen anderen Schwierigkeiten, auch Arbeits-Hindernißen begegnen und wieder für Jahre zurückgeworfen würde. Das habe ich bereits dorthin geschrieben und gedenke nächstens definitiv abzuschreiben.

Hier hat man längst Alles gethan um mich zu halten, selbst die in der Facultät meiner Berufung opponirten, gingen als Deputation nach Carlsruhe zum Minister, was mich übrigens sehr befriedigt hat. Du wirst es sonderbar finden, daß ich dennoch noch keine Entscheidung äußerte. Das hat aber, obschon ich zufrieden sein könnte, seine guten Gründe, die zur Mittheilung etwas zu weitläuftig sind. Jedenfalls konnte das jenseitige Angebot nicht so einfach abgelehnt || werden.

Kürzlich schrieb mir Dr. Helm wegen einer Arbeit. Da ich letzten selbst nicht kenne konnte ich ihm nichts positives antworten. Das eine aber ist sicher daß die Arbeit bis zum April, wie er wünscht, nicht in meinem Jahrbuche gedruckt werden kann.

Wegen der Jenaischen Zeitschrift bin ich noch in Deiner oder in Duffts Schuld. Es sind mindestens 2, vielleicht auch drei Baende für die ich nichts bezahlt habe. Uebrigens ist mir 1 Heft 4 (X. 1) nicht zugekommen. Willst Du vielleicht so gefällig sein mir gelegentlich zu schreiben, was, und an wen ich zu zahlen habe. –

Also, liebster Freund, nochmals beste Wünsche für Dich und für die Deinigen, von mir und von meiner Frau. Glückliches Neujahr und Fortdauer unserer alten Freundschaft, das ist Wunsch und Bitte

Deines aufrichtigen

CGegenbaur.

O. H. habe ich noch nicht geschrieben, weiss auch nicht ob ich es thue, nachdem er mein Schweigen wie mich ein zweiter piquirter Brief belehrt richtig verstanden zu haben scheint. Transeat!

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.12.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10028
ID
10028